Daniel Lind: "Svensk industris konkurrenskraft", (Arena-ide, 2022)
Daniel Lind: "Svensk teknikindustris konkurrenskraft – Vad har hänt sedan krisen på 1990-talet?" (Arena-ide, 2022)

Der Autor dieser beiden frei herunterladbaren Texte betrachtet die globalen Lieferketten und Wertschöpfungsprozesse der Industrie. Als Maß für die Konkurrenzfähigkeit eines Landes oder eines Wirtschaftsbereichs wird der Anteil der Wertschöpfung herangezogen, ausgedrückt in Löhnen und Unternehmensgewinnen. Ein Diagramm sagt oft mehr als tausend Worte - die Serie an Diagrammen in den beiden Studien ist fast selbsterklärend, auch ohne besondere Schwedischkenntnisse. Der Beobachtungszeitraum geht von 1995 bis 2018, also ab dem Höhepunkt einer schweren Wirtschaftskrise in Schweden.

Die Bedeutung der Industrie nahm bis Anfang der 2000er Jahre ab, danach stagnierte die Entwicklung aufgrund der Weiterentwicklung Chinas. Neben der Industrie wird die "Technikindustrie" von dem Autor betrachtet, die hier die Branchen Metallbearbeitung, Maschinen & Ausrüstung, Fahrzeuge, andere Verkehrstechnik, Elektronik & Computer, elektrische Ausrüstung umfaßt. Die so definierte Technikindustrie hat einen Anteil von ca 45% an der globalen Industrie. Die Industrie selbst hatte 2018 einen Anteil von ca. 21% am globalen BNP. Ansonsten haben die Statistiken die Tendenz, den Industriebereich zu unterschätzen, weil dort die Preisentwicklung langsamer als in anderen Wirtschaftbereichen verläuft.

Die Zeit der Corona-Pandemie und des Ukrainekrieges liegt außerhalb des Beobachtungszeitraums. Allerdings sind die Auswirkungen der Finanzkrise 2008 deutlich in den Diagrammen abgebildet. Damit liefern diese beiden Studien möglicherweise Material über das grundsätzliche Verlaufsmuster von "Zeitenwende". Um diesen plakativen, politisch aufgeladenen Begriff zu durchleuchten, einige Gedanken von meiner Seite dazu:

• die vorhergende "Zeitenwende" in Gestalt der Finanzkrise 2008 nahmn ihren Ausgangspunkt spätestens mit dem 11. September, die industrielle Bedeutung der USA nahm kontinuierlich ab,
• Schweden und Deutschland holten die Entwicklung der USA mit der Finanzkrise 2008 nach,
• die beiden Krisen - Finanzkrise & 11. September - setzten überdeutlich sichtbar Energien frei, die sich über lange Zeit aufgestaut hatten, v.a. in der Folge des Aufstiegs Asiens,
• unterschiedliches Reaktionsmuster: weiche Landung über langen Zeitraum (USA), harte Landung mit abrupter Veränderung (Deutschland und Schweden),
• die Reaktion der USA, bzw. DE & SE, zeigt sich in einem verringerten Anteil an der globalen Wertschöpfung in den genannten fünf Technikindustrie-Branchen,
• der Anteil an der globalen Wertschöpfung wird hier als Maß der Konkurrenzfähigkeit gelesen. Damit hat sich die Konkurrenzfähigkeit von DE und SE quasi über Nacht abrupt verändert - entgegen der Vorstellung von der Trägheit bei Veränderungen der Konkurrenzfähigkeit,
• es sind nicht isolierte Krisen oder globale Großereignisse, die ursächlich für solche Veränderungen sind - sie machen langanhaltende Veränderungen nur sichtbar,
• die Reaktion in den USA, SE, DE führte nicht zu einem totalen Wirtschaftszusammenbruch, Massenarbeitslosigkeit oder Massenelend. Es sind also nur Teilbereiche, die zunächst betroffen sind. Desgleichen ist die Reaktion nicht synchron, wie der Vergleich USA mit DE & SE zeigt. Weiterhin entspricht dieser Typ der "Zeitenwende" keineswegs einer globalen Krise, auch Angesichts des Aufstiegs Asiens und Chinas.

Weitere Anmerkung: Gelegentlich wurde vermutet, daß China als mächtige Industrie- und Handelsnation seine Corona-Politik mit dem Versuch verband, die internationalen Lieferketten [und Wertschöpfungsketten] neu zu justieren, d.h. an eine neue Realität anzupassen. Das wäre dann tatsächlich die "Zeitenwende" der 2020er Jahre.

#sverige #schweden #deutschland #tyskland #kina #china

Kürzlich im Internet gefunden:

Daniel Lind: "Kinas betydelse för industrins produktivitet i västvärlden" (Arena idé, 2022)
Daniel Lind, "Kinas betydelse för Sveriges och västvärldens produktivitet", Arbetsmarknad & Arbetsliv | årg, 28 | 2022 & Arena idé, 2022)

In der Studie werden die Auswirkungen der Handelsverflechtungen Chinas auf den Westen betrachtet, in dem Zeitraum 2000 - 2014. Konkret geht es um chin. Vorprodukte für die Industrie. Die erstgenannte Studie ist im Hauptteil in englischer Sprache verfaßt. Beide Texte sind frei herunterladbar.

Der Import chin. Vorprodukte führte im Westen zu Produktivitätssteigerungen, sowohl vor- als auch nach der Finanzkrise. Betrachtet werden drei Mechanismen, die zu der statistisch beobachteten Produktivitätssteigerung in der westländischen Industrieproduktion beitragen können:

• Arbeitsplatzabbau,
• zusätzliche interne Wertschöpfung,
• interner Produktivitätszuwachs.

Weiterhin wird die Tendenz zu wissenbasierten Dienstleistungen betrachtet, sowie die Kapitaleffizienz und Preisentwicklung. Ein Vergleich mit Osteuropa schließt sich an.

Als Hauptergebnis wird angeführt, daß im Westen der Produktivitätszuwachs vor allem durch Arbeitsplatzabbau vorangetrieben wird. Durch den Import chinesischer Vorprodukte diffundiert der Produktivitätszuwachs Chinas in den Westen. Die USA und die anderen Hocheinkommenensländer des Westens unterscheiden sich dabei. In Schweden dagegen gab es nach einer Übergangszeit keinen Beschäftigungsabbau durch diesen Mechanismus mehr. Allerdings ist dort der Produktivitätszuwachs auch kleiner als im statistischen Durchschnitt des Westens.

Der Produktivitätszuwachs im Westen wird dagegen nicht oder nur wenig durch einen Zuwachs der Wertschöpfung in der westlichen Industrie erreicht.

Der Import chines. Vorprodukte hat sich im Beobachtungszeitraum um - grob gerechnet - 400 bis 800 Prozent erhöht, ist aber immer noch relativ gering. Der Importmultiplikator chin. Vorprodukte, d.h. die Bedeutung für die Wertschöpfung, nimmt im Westen zu. Umgekehrt wird China seit der Finanzkrise unabhängiger von westlichen Importen.

Weiterhin wird der chinesische Produktivitätszuwachs von sinkenden Preisen der exportierten Vorprodukte begleitet. Teilweise überträgt sich dies auf sinkende oder langsamer steigende Konsumentenpreise im Westen. So wurde für die USA abgeschätzt, daß zwischen 1991 und 2007 für jeden weggefallenen Arbeitsplatz ein Konsumüberschuß von 400 000 Dollar entstanden ist.

Mit dem wachsenden Umfang des Imports chinesischer Vorprodukte wurden im Westen wissensbasierte Dienstleistungen in der Industrie ausgebaut: Marketing, techn. und juristisches Consulting, Leitung & Kontrolle, FuE. Auffallend ist, daß die einheimische Bereitstellung wissensbasierter Dienstleistungen zugunsten importierter wissensbasierter Dienstleistungen aus China zurückgefahren wurde. Ausnahme Schweden: weder Zu- noch Abnahme des Umfangs dieser Dienstleistungen, noch Importverlagerung.

Und schließlich wird beobachtet, daß in China und im Westen - unter dem Einfluß chines. Vorprodukte, der Kapitalfaktor sinkt. Es wird also für die Produktion zunehmend weniger Kapital benötigt.

Im Gegensatz zu chinesischen Vorprodukten führt der Import von Vorprodukten aus anderen westlichen Ländern zu keiner Produktivitätssteigerung in der Industrie. Dagegen zeigt der Import von Vorprodukten aus Osteuropa das gleiche Muster wie die Importe aus China.

#schweden #sverige #kina #china