@Holger :vm:
Wenn es in 14 Jahren (Start Friendica lt. Wikipedia 2010) keine Notwendigkeit für eine Smartphone App gegeben hat, ist das doch eh ein Soziales Netz von Nerds, die eh nur den ganzen Tag am PC/Notebook hängen, oder?
Ich war Anfang der 2010er schon auf Friendica, daher weiß ich, wie es damals war.
Mike Macgirvin hat Friendica, das damals noch Mistpark hieß, in vier Monaten entwickelt. Vom März zum Juli 2010. Ganz alleine. Ohne Budget. Meines Wissens zu einem stabilen Punktrelease hin. Und Mike ist eigentlich Protokolldesigner. Er hat ja sogar das DFRN-Protokoll von Grund auf selbst entwickelt, auf dem Friendica basierte. Er ist kein Webdesigner und schon gar kein Mobilentwickler.
Zum Vergleich: diaspora* brauchte vier Entwickler, $320.000 an Crowdfunding und anderthalb Jahre für eine erste Public Beta, die immer noch sehr unfertig war. Und diaspora* kann heute noch weniger, als Mistpark im Sommer 2010 konnte. Auch diaspora* hat keine offizielle App.
Nach einer dedizierten App hätte damals auch kein Hahn gekräht. 2010 war es noch lange nicht soweit, daß fast jeder ein Smartphone hatte und es als primäres oder gar einziges digitales Endgerät nutzte. Mit 3,5"-Bildschirmen, schwächlichen CPUs und magerem RAM nicht und mit lückenhaftem UMTS erst recht nicht. Der Standard war weiterhin der PC oder der Laptop zu Hause am DSL-Festnetz.
Damals war es noch lange nicht so, daß es für alles, absolut alles, was es online gab, eine dedizierte Mobil-App gab, geschweige denn so, daß es völlig normal war, wenn gewisse Dinge nur über eine Mobil-App gingen.
Das lag auch an der Smartphone-Landschaft. Das iPhone verkaufte sich besser als alles andere zusammen, hatte aber trotzdem als Zielgruppen nur Hipster, Apple-Fanbois, die vor jedem Geräterelease vorm Flagship Store zelteten, Angeber, für die der Apfel auf dem Telefon wie der Mercedesstern auf dem Auto war, und Modepüppchen, für die der Apfel auf dem Telefon wie der Prada-Schriftzug auf der Handtasche war.
Android war noch neu und Nische. Für kommerzielle Entwickler lohnte es sich bekanntlich erst, auch für Android zu entwickeln, als das Samsung Galaxy S sich alleine besser verkaufte als das iPhone. Im Grunde war Android damals noch der wahr gewordene feuchte Traum vom Linux-Smartphone in Großserie, also das, was man sich von OpenMoko erhofft hatte, was ansonsten eigentlich nur Nokia mit dem legendären N900 in unverschnittener Form anbot.
Vorhandene Geräte waren ansonsten vielfach noch vom einstigen Klassenprimus Nokia und liefen mit Symbian, aber Symbian war tot, in absoluten Zahlen auch schon immer Nische und auch wieder ziemlich fragmentiert.
Das vorherrschende Mobilgerät mit Internetzugang war folglich überhaupt keins.
Die Nutzerschaft von Friendica, bzw. wie auch immer es damals jeweils hieß, setzte sich überwiegend tatsächlich zusammen aus Computernerds. Der Anteil der Linuxnutzer war überdurchschnittlich hoch, zumal nicht wenige ihren Privatnode auf eigener Hardware zu Hause hosteten. Ansonsten gab es noch ein paar linksalternative Aktivisten, die sich wohl erhofften, auf Friendica für die Behörden noch schwieriger aufzuspüren zu sein als auf diaspora*, geschweige denn Facebook.
Große Zielgruppenüberschneidungen zwischen Smartphone- und Friendica-Nutzern gab es nicht. Apple und Friendica hatten fast gar keine Zielgruppenüberschneidung, denn Apple stand für genau den Vendor Lock-In, den Friendica durchbrechen wollte. Eine dedizierte iPhone-App für Friendica hätte von den damaligen Friendica-Nutzern ziemlich genau niemand gebraucht.
Friendica auch nur im Browser eines Smartphone zu verwenden, war weder Notwendigkeit noch irgendwie Standard, sondern im Grunde eher technische Demonstration. Guckt mal, das geht. Die richtig Wagemutigen versuchten, Friendica über StatusNet-Apps zu nutzen. Das scheiterte natürlich oft daran, daß die Mehrzahl der StatusNet-Apps auf Identi.ca hartgecodet war, das so groß war, daß der Mehrnutzen, wenn die Instanz auswählbar war, zu gering war. Aber auch das war eher Experiment als dringender Notwendigkeit geschuldet.
Selbst wenn mal über eine Friendica-App nachgedacht wurde, und hier reden wir schon von frühestens ca. 2012, wo Friendica seinen endgültigen Namen hatte und von der Community übernommen worden war, dann war der Gedanke eher: "Ist vielleicht mal ganz spannend", aber definitiv nicht: "Brauchen wir unbedingt ganz dringend, weil für die meisten Leute Friendica ohne dedizierte Smartphone-App nicht benutzbar ist."
Weil Friendica nie beworben wurde, war es immer weitestgehend unbekannt. Auch, nachdem das 2010 so hochgehypete diaspora* in der Obskurität versunken war, war Friendica unbekannter. Die Facebook-Alternative war Google+. Pest und Cholera, aber wenigstens war es nicht Facebook, und man kannte es. Google+ zeigte, wie unbekannt diaspora* inzwischen war. Es war nämlich von A bis Z ein zentralisierter diaspora*-Klon, angefangen bei den Google+-Kreisen, die bei diaspora*s Aspekten abgekupfert waren (die Mistpark vorher schon hatte), aufgehört damit, daß Google bei all seinen Diensten einen Klon der diaspora*-UI einführte. Und niemand außerhalb von diaspora* und Friendica hat gemerkt, daß das alles von diaspora* geklaut war.
So, und weil Friendica so unbekannt war, wuchs es kaum. Und damit kamen auch keine neuen fähigen Entwickler in die Friendica-Szene, die vielleicht dedizierte Friendica-Apps hätten machen können. Apps, die unter den damals bestehenden Friendica-Nutzern wohl eh nicht so notwendig gewesen wären. Erschwerend kam ab 2015 der schleichende Exodus nach Hubzilla dazu.
Gibt es außer Friendica/Diaspora/GNU Social usw. noch ein Soziales Netzwerk, das auf Smartphone Apps verzichtet?
Im nichtkommerziellen, dezentralen Bereich hat eigentlich nur Mastodon eine gute Abdeckung mit Smartphone-Apps und definitiv nur Smartphone eine offizielle App mit demselben Namen.
Pleroma, Akkoma, Misskey, Firefish, Iceshrimp, Sharkey, CherryPick, Catodon usw. usf. werden zumeist über Mastodon-Apps benutzt mit entsprechenden Einschränkungen. Da gibt es meines Wissens keine speziell jeweils dafür ausgelegten Apps, was bei dem Wust an Forkeys auch Wahnsinn wäre.
Hubzilla, (streams) und Forte sind alle von vornherein für den Einsatz als PWA ausgelegt. Ende der 2010er hatte mal jemand eine dedizierte Hubzilla-App für Android entwickelt, Nomad. Die ist aber im Dezember 2019 das letzte Mal aktualisiert worden und soll auf so manchem neueren Smartphone nicht mehr funktionieren. Und auch Nomad ist im Grunde nur ein spezialisierter Browser mit eigenem Zugriff auf ein paar Funktionen von Hubzilla.
Zugegeben, eine Hubzilla-App, die alle, aber auch wirklich alle Features von Hubzilla auf eine eigene Mobiloberfläche packt, wäre ein absolutes Monster. Stell dir eine gute, freie, quelloffene E-Mail-App vor. So eine Hubzilla-App wäre noch heftiger. Für (streams) und Forte wäre es nur unwesentlich besser.
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